Kölnische Rundschau
Die Ärzte stellten im Wartesaal ihr neues Album vor: "Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer"
Wenn die BHs fliegen lernen

Von Jan Wördenweber

Köln. Ausverkauft. Keine Chance, noch reinzukommen. "Ich steh' wahrscheinlich auf der Gästeliste." Stand er nicht. "Ich kenne aber den Wolfgang . . ." Auch Wolfgang Brüggen, Pressesprecher des Alten Wartesaals, konnte nichts machen: Die Ärzte waren da. Bela B., Farin Urlaub und Rodrigo Gonz les stellten am Hauptbahnhof ihre neue CD "Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer" vor. Das Interesse war so groß, dass schon etliche Tage zuvor das unter Fans gefürchtete Wort die Runde machte: Ausverkauft.

Sogar Polizisten versuchten, unter fadenscheinigen Gründen, Einlass zu erhalten - vergeblich. Geschafft hatten es unter anderen Tote-Hosen-Bassist Andi, der zusammen mit Farin Urlaub an den Rhein gereist war, und Schmalztolle Götz Alsmann, welcher sich jedoch lieber abseits an der Theke aufhielt als vor der Bühne, ebenso wie Moderator Matthias Opdenhövel.

Ansonsten war es ein typisches Ärzte-Konzert. BHs flogen en masse auf die Bühne, und ein Roadie präsentierte sie einzeln Bassist Rodrigo Gonz les. Wenn der dann mit dem Kopf nickte, bekam das Spitzenteil einen Platz am Mikrofonständer, wenn nicht, flog das Teil zu den anderen neben das Schlagzeug. Neben der Bühne verfolgten zwei Blondchen aus dem Ruhrgebiet kaugummikauend das muntere Treiben: Hauptberuflich Pornodarstellerin, Künstlername: Kelly Trump und Danielle.

Daneben saß die achtjährige Lucy auf einem Bandkoffer, in der Hoffnung, nach dem Konzert Schlagzeuger Bela B. eine selbstgemalte Einladung zum Kaffeetrinken zu überreichen. Darüber hätte sich Mutter Claudia (33) wohl am meisten gefreut, die sich ihrer Erziehungsmethoden sicher ist: "Die Lucy hat es gut, dass sie schon so früh mit dieser Musik in Berührung kommt. Bei mir war das damals nicht der Fall, ich hatte Spießer als Eltern." Lucys Lieblingslied ist übrigens "Claudia hat'nen Schäferhund."

Zur Musik: Im Polonaise-Schritt und zu den Klängen der Olsen-Brothers wackelten die drei Herren auf die Bühne. Kaum an den Geräten angelangt, zog ein kurzes, aber heftiges Lärmgewitter als Intro durch den Saal, bevor die Band mit "Wir sind wieder da" musikalisch "hallo" sagte. Die Ärzte sind wohl die einzige Punk-Rock-Band, die mit ihrem klaren dreistimmigen Gesang auch vokalische Qualitäten erkennen lässt. Gitarre, Bass und Drums werden rau und laut bearbeitet, ohne dabei an Präzision zu verlieren. Das zeichnet die Band aus, während sich andere Gruppen dieses Genres hilflos angucken, wenn der Bass-Mann schon im Refrain ist, der Sänger aber noch brüllend in der Strophe verweilt.

Bevor die neuen Songs gespielt wurden, gab's reihenweise Klassiker, viele noch aus den 80-er Jahren, bevor die Berliner für ein paar Jahre auseinandergingen: "Ich ess Blumen" oder "Radio brennt" wurden bejubelt, ebenso neuere Werke nach der Reunion wie "Friedenspanzer", die neue Single "Wie es geht" oder "Hip Hip Hurra". Es war zuweilen richtig spaßig. Der Comedy-Teil gipfelte in der Cover-Version "Großer Bruder" der musikalischen Einzeller Zlatko und Jürgen aus dem Container.

Das Publikum kam auf seine Kosten. Erst nach etlichen Zugaben und drei Stunden Spielzeit verabschiedeten sich die Ärzte. Allerdings werden sich die Fans noch etwas gedulden müssen: Erst am 23. Oktober wird das neue Album "Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer" veröffentlicht.