Punker dürfen braun sein
Farin Urlaub über das neue Live-Album der Ärzte
Wir wollen nur Deine Seele, behaupten die Ärzte auf ihrem neuen Album. Als sie das letzte veröffentlichten, haben sie sich danach getrennt. Alexander Eschment sprach mit dem Sänger und Gitarristen Farin Urlaub darüber, ob das diesmal auch so sein wird.
SZ: Lösen sich die Ärzte nach Wir wollen nur Deine Seele wieder auf?
Farin Urlaub: Es liegt ja zumindest nahe. Damit können wir dann kokettieren.
Für die Fans ein Weltuntergang . . .
(lacht) Schon der zweite!
Was kommt nach dem Jahr 2000 die Ärzte im neuen Kittel?
Fest steht, dass wir ins Studio gehen, und dann gucken wir mal, was dabei rauskommt.
Sie haben ein neues Album, machen sich damit aber rar. Es gibt nur wenige Interviews, und die teilen Sie auf warum dieser Rückzug?
Ganz einfach. 13 war ein neues Album. Das, was wir jetzt veröffentlichen, ist ja altes Material. Damit stellen wir uns dann auch nicht hin und machen eine Riesenpromotion dafür.
Wäre es nicht ehrlicher, ein komplettes Konzert von Anfang bis Ende mitzuschneiden?
Unehrlich ist das nicht. Das letzte Live-Album war ja komplett aufgenommen, ein einziges Konzert. Diesmal wollten wir einfach einhundert Prozent liefern, denn manche Nummern waren damals einfach schlecht gespielt.
Wobei man bei den Ärzten nie erkennt, ob sie schlecht spielen oder der Fehlgriff schon zur Schau gehört . . .
. . . das werden wir auch nie verraten. Das Album hat zwei verschiedene Gesichter: Die seichte Nummer und die durchgeschrammelte Punkplatte.
Warum diese Zweiteilung?
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Wir haben einfach danach gesucht, was zusammenpasst. Zehn Lieder im gleichen Tempo wären ja auch langweilig.
Der erste Song ist Ein Lied für Dich ein Dankeschön an die Fans?
Auf jeden Fall!
Ist das Trickfilm-Video dazu die logische Fortsetzung vom Lara-Croft-Video Männer sind Schweine?
Nein, überhaupt nicht. Wir wollten schon lange ein Trickfilm-Video machen, wir sind alle Comic-Fans. Es lag einfach schon immer auf der Hand.
Live-Platten sind ja etwas Wunderschönes: Man hat bereits gearbeitet, lehnt sich zurück und verdient mit alten Nummern noch einmal viel viel Geld . . .
. . . ja klar! (lacht)
13 war sehr erfolgreich waren Sie davon überrascht, oder haben Sie damit gerechnet?
Das ist falsch gefragt. Wir rechnen nie mit etwas. Wir sind jedesmal gespannt. Mittlerweile stecken wir relativ wenig in etwas rein und verdienen ziemlich viel Geld damit. Bei uns stimmt diese Relation nicht mehr. Wir arbeiten drei Monate hart, und wenn die Platte gut läuft, kriegen wir Geld für die nächsten zehn Jahre. Das ist der Vorteil, wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, was wir auch kennen, steckst Du rein und rein und rein und bekommst nichts raus. Von daher rechnen wir nicht mit etwas, sondern freuen uns über alles, was passiert.
Sie sind jetzt 35 Jahre alt, sehen aber viel jünger aus. Sie leben sehr gesund und schlagen damit aus der Reihe . . .
. . . es ist aber nicht so, dass ich das mache, um irgend etwas zu erreichen. Es gibt ja Leute, die rauchen und trinken bis 40 und plötzlich: Oh, jetzt muss ich aber etwas ändern. Bei mir war das nie eine bewusste Entscheidung, das habe ich von Vornherein gemacht. Seit elf Jahren bin ich Vegetarier, naja, so Halbvegetarier. Ich mache das, was mir am meisten Spaß macht: nämlich Musik. Dazwischen treffe ich mich mit Freunden und verreise dann auch noch. Ich meine, wie soll man da schlecht drauf kommen?
Andere in Ihrem Alter sind verheiratet, haben Kinder vermissen Sie das, oder ist kein Thema für Sie?
Ich bin jetzt dreifacher Patenonkel und war gerade mit zwei von den Patenkindern im Urlaub. Ich sag mal, es ist ganz gut, dass es nicht meine sind. (lacht) Es war sehr nett, aber irgendwie . . . ich mach erst mal noch ein bisschen Musik, und dann gucken wir mal.
Bei Ihnen hat man ständig das Gefühl, Sie sind immer noch die rotzfrechen Halbstarken von früher.
Wir verkörpern das Leben, das andere gerne hätten. Die sehen aber nicht, dass Rockstar sein nicht heißt, dass man 24 Stunden Rockstar ist, sondern dass es ein Teil des Lebens ist. Die denken halt, das ganze Leben auf Tour, abends gehen wir aus, dann sind die Weiber da . . . Stimmt zum Teil auch, stimmt sogar sehr ist aber nur ein Teil des Lebens. Ich möchte so etwas auch nicht das ganze Jahr über haben, das wäre mir zu viel.
Gibt es den Zwang, das Produkt Die Ärzte am Leben zu erhalten?
Die Ärzte sind kein Produkt. Wir müssen uns auch nicht verstellen, nach dem Motto: Um mehr Platten zu verkaufen, müssen wir uns rote Jäckchen anziehen.
Iggy Pop hat neulich gesagt, er habe immer noch genug Wut, um Musik zu machen. Was ist Ihr Antrieb?
Das Gegenteil: Freude im Bauch. Was Iggy Pop angeht, glaube ich, dass er das Gegenteil von Aerosmith sein will, die einfach zu satt sind, um sich noch für ihre Musik zu interessieren.
Punk- oder Popstar was liegt Ihnen näher?
Punk!
Warum?
Weil das die prägendste Zeit in meinem Leben war. Das war so zwischen 15 und 19 oder 20. Einmal kam ich aus dem Urlaub wieder und war braungebrannt. Das war ein Verbrechen, denn als Punker darfst Du nicht braungebrannt sein. Und ich hatte einen schicken roten Wollpullover an. Und ein Typ, mit dem ich viele wunderschöne Abende verbracht hatte, guckte mich an und fragte: Wie bist denn Du jetzt drauf? Wenn das dann auch wieder so ein Dresscode war, dann wollte ich kein Punk sein, denn solche Sachen mochte ich noch nie. Bela, Rod und ich haben Punk-sein immer so verstanden: Mach, was du willst.
Zuletzt noch ein Tipp! Welchen Platz erreicht Euer zweites Live-Album?
Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht.
Auch nicht, wenn es überhaupt nicht in den Charts auftaucht
Na gut, das fände ich schon hart.